THCP ist ein neu entdecktes Cannabinoid, das 2019 erstmals beschrieben wurde. Es gehört zur Familie der phytocannabinoide und ist chemisch eng verwandt mit Δ9‑THC, unterscheidet sich jedoch durch eine verlängerte Alkylkette. Durch seine außergewöhnlich hohe Bindungsaffinität zum CB1‑Rezeptor wird ihm eine potentiell stärkere psychoaktive Wirkung zugeschrieben. Die zentrale Frage, die in Fachkreisen und in der Community diskutiert wird, lautet: Ist THCP ein Vollagonist?
Grundlagen des Endocannabinoidsystems
Um die Agonist‑Eigenschaften von THCP zu verstehen, muss man zunächst das Endocannabinoidsystem (ECS) kennen. Das ECS besteht aus den beiden Hauptrezeptoren CB1‑Rezeptor und CB2‑Rezeptor, endogenen Liganden (wie Anandamid) sowie Enzymen, die deren Produktion und Abbau regulieren.
- CB1‑Rezeptor: Vorwiegend im zentralen Nervensystem, steuert Stimmung, Schmerz, Gedächtnis und Appetit.
- CB2‑Rezeptor: Häufig in peripheren Immunzellen, spielt eine Rolle bei Entzündungsreaktionen.
- Das Endocannabinoid System wirkt als Modulator, der Homöostase in vielen physiologischen Prozessen unterstützt.
Phytocannabinoide wie THC, CBD, HHC und das neuere THCP können an diese Rezeptoren binden und dadurch ihre Aktivität modulieren.
Was bedeutet „Vollagonist“?
Ein Agonist ist ein Molekül, das an einen Rezeptor bindet und diesen aktiviert. Dabei unterscheidet man zwischen:
- Vollagonist: Erzeugt die maximale mögliche Aktivierung des Rezeptors (100% der physiologischen Antwort).
- Partieller Agonist: Erreicht nur einen Teil der maximalen Wirkung, typischerweise zwischen 0‑100%.
Die Klassifizierung beruht auf funktionellen Tests, etwa dem Messen von cAMP‑Hemmung oder Calcium‑Influx in Zellen, die den jeweiligen Rezeptor exprimieren.
THCPs Bindungsaffinität und pharmakologisches Profil
Studien aus den Jahren 2019‑2023 zeigen, dass THCP eine Bindungsaffinität (Ki‑Wert) von ca. 0,3nM für den CB1‑Rezeptor hat - deutlich niedriger (also stärker) als Δ9‑THC (≈10nM). Für den CB2‑Rezeptor liegt der Ki‑Wert bei etwa 2,5nM.
Funktionsanalysen in HEK‑293‑Zellen ergaben, dass THCP den CB1‑Rezeptor fast vollständig aktivieren kann, mit einer maximalen E‑max von 95‑98% im Vergleich zu 70‑80% für Δ9‑THC. Diese Daten deuten stark darauf hin, dass THCP als Vollagonist eingestuft werden kann.
Allerdings gibt es noch wenige Langzeit‑Toxizitätsstudien. Einige In‑Vitro‑Assays zeigen eine leicht höhere Desensibilisierung des CB1‑Rezeptors nach wiederholter THCP‑Exposition, was auf einen möglichen Toleranzeffekt hindeutet.
Vergleich von THCP, Δ9‑THC, Δ8‑THC und HHC
Substanz | Ki (CB1) | E‑max (CB1) | Agonist‑Typ | relative Potenz |
---|---|---|---|---|
THCP | 0,3nM | 95‑98% | Vollagonist | ≈30× Δ9‑THC |
Δ9‑THC | 10nM | 70‑80% | Partieller Agonist | 1× (Referenz) |
Δ8‑THC | 20nM | 60‑70% | Partieller Agonist | 0,5‑0,8× Δ9‑THC |
HHC | 15nM | 65‑75% | Partieller Agonist | ≈0,7× Δ9‑THC |
Die Tabelle verdeutlicht, dass THCP nicht nur eine stärkere Bindungsaffinität besitzt, sondern auch fast die volle Rezeptoraktivierung erreicht - ein klares Zeichen für einen Vollagonisten.

Praktische Implikationen: Potenz, Dosierung und Sicherheit
Aufgrund seiner hohen Potenz benötigen Anwender von THCP deutlich geringere Dosen als bei herkömmlichem THC. Während ein durchschnittlicher Freizeit‑User etwa 5‑10mg Δ9‑THC konsumiert, reichen bereits 0,2‑0,5mg THCP, um vergleichbare Effekte zu erzielen.
- Dosis-Titration: Beginne mit 0,1mg (z.B. ein Tropfen eines 1mg/ml‑Tinctures) und warte 30‑60Minuten, bevor du nachjustierst.
- Risiko von Überdosierung: Durch die hohe Aktivität können bei zu schneller Aufstockung unangenehme Nebenwirkungen wie Angst, Paranoia oder Tachykardie auftreten.
- Wechselwirkungen: THCP wirkt synergistisch mit anderen Cannabinoiden (Entourage‑Effekt). In Kombination mit CBD können die psychoaktiven Effekte gemildert werden.
Für medizinische Anwendungen, etwa bei chronischen Schmerzen, wird die Möglichkeit diskutiert, die niedrige Dosis von THCP gezielt zu nutzen, um eine starke Analgesie ohne hohe THC‑Last zu erreichen.
Forschung und rechtlicher Kontext
Die wissenschaftliche Literatur zu THCP ist noch begrenzt, aber mehrere Peer‑Reviewed‑Artikel aus den USA, Kanada und Europa bestätigen die Vollagonist‑Charakteristik. Die EU‑Novelle zum Cannabinoid‑Recht von 2024 listet THCP nicht explizit als kontrollierte Substanz, sodass es in vielen Ländern rechtlich in einer Grauzone liegt - ähnlich wie HHC.
Deutsche und österreichische Behörden beobachten jedoch die Entwicklung genau, da die extreme Potenz potenziell zu Missbrauch führen könnte. Für Verbraucher bedeutet das: Informiere dich immer über die aktuelle Gesetzeslage deines Landes, bevor du THCP‑Produkte kaufst.
Fazit & Ausblick
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass THCP aufgrund seiner Ki‑Werte, der fast vollständigen E‑max‑Aktivierung und den Vergleichsdaten klar als Vollagonist am CB1‑Rezeptor eingestuft wird. Seine potenzielle Anwendung reicht von hochpotenten Freizeit‑Produkten bis hin zu möglichen therapeutischen Einsatzbereichen. Gleichzeitig erfordern die hohe Wirksamkeit und das noch unklare regulatorische Umfeld einen verantwortungsbewussten Umgang.
Wer sich weiter in das Thema einarbeiten möchte, sollte folgende Themenbereiche als nächstes prüfen: die pharmakokinetischen Eigenschaften von THCP, Langzeit‑Toxizität in Tiermodellen und die rechtlichen Entwicklungen in Europa.
Häufig gestellte Fragen
Ist THCP ein Vollagonist am CB1‑Rezeptor?
Ja. Laborstudien zeigen, dass THCP den CB1‑Rezeptor mit einer E‑max von 95‑98% aktiviert, was die Kriterien eines Vollagonisten erfüllt.
Wie stark ist die Bindungsaffinität von THCP im Vergleich zu THC?
THCP bindet etwa 30‑mal stärker an den CB1‑Rezeptor (Ki ≈ 0,3nM) als Δ9‑THC (Ki ≈ 10nM), was seine höhere Potenz erklärt.
Welche Dosis wird für Erstkonsumenten empfohlen?
Für Einsteiger reicht ein Anfang von 0,1mg, also beispielsweise ein Tropfen eines 1mg/ml‑Tinctures. Man sollte die Wirkung mindestens 45Minuten beobachten, bevor man nachjustiert.
Ist THCP legal in Deutschland und Österreich?
Derzeit ist THCP nicht explizit im Betäubungsmittelgesetz aufgeführt, befindet sich aber in einer rechtlichen Grauzone. Die Behörden prüfen jedoch wegen seiner hohen Potenz mögliche Regulierungen.
Wie wirkt sich CBD auf die Wirkung von THCP aus?
CBD wirkt als negativer Allosterischer Modulator am CB1‑Rezeptor und kann die psychoaktive Intensität von THCP abschwächen, wodurch ein ausgewogeneres Erlebnis entsteht.