Die eine magische Sache für Lust? Gibt’s nicht. Erregung bei Frauen ist ein Zusammenspiel aus Körper, Kopf, Beziehung und Rahmen. Gute Nachricht: Es gibt ein paar Hebel, die fast immer helfen - und ein paar Mythen, die man entsorgen kann. Ich schreibe aus Salzburg, mit viel Praxisblick (auch aus meinem eigenen Alltag mit Leopold) und halte mich an das, was solide Studien hergeben.
TL;DR - Was hilft wirklich, schnell und nachhaltig
Du willst wissen, was für weibliche Erregung am besten funktioniert? Hier die komprimierte Antwort, danach gehen wir ins Detail.
- Für sofortige Hilfe: Gleitgel (wasser- oder silikonbasiert, niedrige Osmolalität), mind. 15-20 Minuten Vorspiel, gezielte Klitorisstimulation, ein Vibrator mit sanftem Start.
- Für die nächsten 2-12 Wochen: Achtsamkeitsübungen (täglich 10 Min.), Beckenbodentraining (3×/Woche), kurze Sporteinheiten vor Sex (10-20 Min.).
- Für langfristig: Stress und Mental Load runter, Schlaf stabilisieren, Medikamente checken (SSRI, Antibabypille, Antihistaminika), Schmerzen behandeln (z. B. Scheidentrockenheit, Vaginismus).
- Medizinisch: In und nach der Menopause helfen lokale Östrogene häufig gegen Trockenheit; für reine Luststörungen (HSDD) gibt es zugelassene Medikamente, aber sie wirken vor allem auf Verlangen, nicht direkt auf Erregung.
- Beziehung: Reden, Rituale für Nähe, Druck rausnehmen. Lust ist oft „responsiv“ - sie entsteht währenddessen, nicht davor.

Schritt-für-Schritt: So bringst du Erregung in Gang (heute, diese Woche, langfristig)
Ich ordne das in drei Zeithorizonte. So weißt du, was heute geht, was in ein paar Wochen greift, und wo sich die Basis wirklich verändert.
1) Heute Abend: Sofort-Maßnahmen
- Rahmen setzen: Handy weg, Tür zu, Wecker auf „nicht stören“. Warmes Bad oder Dusche - Wärme fördert Durchblutung und Entspannung.
- Gleitgel nutzen: Für viele Frauen macht das den Unterschied. Wasserbasiert ist vielseitig, silikonbasiert hält länger. Achte auf niedrige Osmolalität (unter ca. 1200 mOsm/kg; WHO empfiehlt „niedrig“), und vermeide Glycerin bei Neigung zu Pilzinfektionen.
- Vorspiel ausdehnen: 15-20 Minuten als Startpunkt. Kein Stoppuhr-Denken - es geht um Zeit zum Ankommen. Küsse, langsame Berührungen, Atem angleichen.
- Klitorisstimulation zuerst: Rund 70-80% der Frauen brauchen direkte oder indirekte Klitorisstimulation, um überhaupt in Fahrt zu kommen (Herbenick et al., J Sex Med 2018). Hände, Kissen, Vibrator - was sich gut anfühlt.
- Vibrator mit sanftem Start: Niedrige Stufe, breite Auflagefläche. Eine Studie (Herbenick et al., 2009) zeigte, dass regelmäßige Vibratornutzung mit besserer Lubrikation und Orgasmusfähigkeit einhergeht.
- Kopf entkoppeln: Wenn Gedanken kreisen, fokussiere 10 Atemzüge auf Gefühl + Druck + Wärme auf der Haut. Achtsamkeit im Moment senkt Bewertungsdruck.
Quick-Check vor dem Start
- Bin ich gestresst oder müde? Dann lieber kurze Zärtlichkeit + Massage + kein „Muss“. Lust kann später kommen.
- Schmerzt etwas? Erst lösen (mehr Gleitgel, Lage ändern, übermorgen ärztlich checken), dann weiter.
- Kommunikation klar? Ein Satz wie „Langsam, mehr außen, weniger Druck“ wirkt Wunder.
2) Diese Woche bis 12 Wochen: Routinen, die wirklich wirken
- Achtsamkeit (täglich 10 Minuten): Drei RCTs von Lori Brotto und Kolleginnen zeigen, dass Achtsamkeitstechniken die sexuelle Erregbarkeit und Zufriedenheit verbessern - besonders, wenn Performance-Druck ein Thema ist. Übe Körper-Scan oder „5 Sinne“-Check-in.
- Beckenbodentraining (3×/Woche, 12 Wochen): Kräftigt Durchblutung und Körperwahrnehmung. Cochrane-Reviews berichten über bessere Lubrikation und Orgasmusfähigkeit, besonders postpartal. Schema: 3 Sets à 10 Kontraktionen, jeweils 5 Sekunden halten, 5 Sekunden lösen; plus 10 schnelle Impulse.
- Bewegung vor Sex (10-20 Minuten): Kurzes Intervall oder zügiger Spaziergang. Kleinere Studien (Meston u. a.) zeigen: erhöhte Sympathikus-Aktivität kann Erregung steigern.
- Schlaf stabilisieren: In einer Studie (Kalmbach et al., 2015) korrelierte jede zusätzliche Stunde Schlaf mit höherer Lust am Folgetag. Ziel: 7-9 Stunden, regelmäßige Schlafzeit.
- Mental Load reduzieren: Delegiere Aufgaben, kauft euch Zeitfenster. In Salzburg hilft uns z. B. der Wocheneinkauf am Freitagabend, damit der Samstag frei für „uns“ bleibt.
- Erotische Bibliothek bauen: Finde, was dich triggert - Texte, Fantasien, Sounds. Kein Druck Richtung Penetration. Erregung darf zweckfrei sein.
3) Medizinisch abklären, wenn…
- Schmerzen (Brennen, Ziehen, Penetrationsschmerz) auftreten. Ursache kann Trockenheit, Vulvodynie, Vaginismus, Infektion oder Endometriose sein. ACOG empfiehlt: erst Schmerzen behandeln, dann am Sex arbeiten.
- Lust/Erregung länger als 6 Monate deutlich reduziert ist und Stress macht (HSDD/Erregungsstörung). Dann ärztlich/sexualtherapeutisch abklären (ISSM, ACOG).
- Medikamente beteiligt sind: SSRIs, Betablocker, Antihistaminika, Antibabypille - Dosis/Wechsel nur ärztlich.
- Menopause/GSM (Genitourinary Syndrome of Menopause): Lokales Östrogen hilft gegen Trockenheit und kann Erregung indirekt verbessern (NAMS 2023).
Was ist „das Beste“ - Produkt vs. Prinzip?
Prinzip schlägt Produkt. Die Top-Prinzipien sind: Druck raus, genug Zeit, gezielte Stimulation, wohlwollende Kommunikation, körperliche Basis (Schlaf/Stress/Schmerz) stabilisieren. Produkte können das unterstützen: Gleitgel, Vibrator, Wärmflasche, Massageöl, ggf. lokales Östrogen. Cannabis/CBD? Die Datenlage ist dünn. Es gibt Umfragen mit positiver Wahrnehmung, aber keine sauberen Wirksamkeitsnachweise für Erregung. In Österreich ist THC nicht frei legal; CBD gibt es, wirkt aber nicht zuverlässig erregungssteigernd.
Intervention | Wofür am besten | Wann spürbar | Evidenzstärke | Hinweise |
---|---|---|---|---|
Gleitgel (wasser/silikon) | Trockenheit, Schmerzen vermeiden, schneller Einstieg | Sofort | Hoch (WHO empfiehlt niedrige Osmolalität) | Bei Pilz-Neigung glycerinfrei; silikonbasierte nicht mit allen Toys |
Klitorisstimulation/Vibrator | Erregung aufbauen, Orgasmusfähigkeit | Sofort-kurzfristig | Mittel-hoch (Herbenick 2009/2018) | Sanfter Start, breite Köpfe, kein Taubheitsdruck |
Achtsamkeit (täglich) | Leistungsdruck, Kopfkino, Körperwahrnehmung | 2-8 Wochen | Mittel-hoch (Brotto RCTs) | Kurze Einheiten, Audio-Guide hilft |
Beckenbodentraining | Durchblutung, Orgasmusintensität | 6-12 Wochen | Mittel (Cochrane) | Regelmäßig, richtige Technik entscheidend |
Sport vor Sex | Schnelleres Anheizen | 15-30 Min. | Niedrig-mittel (kleine Studien) | Kurz & moderat; nicht auspowern |
Lokales Östrogen | Menopause-bedingte Trockenheit/Schmerz | 2-6 Wochen | Hoch (NAMS/ACOG) | Ärztlich verordnen lassen |
Flibanserin/Bremelanotid | HSDD (Verlangen), nicht primär Erregung | Wochen | Mittel (FDA zugelassen) | NW/Interaktionen beachten; ärztliche Abklärung |
PDE5-Hemmer | Für Frauen nicht routinemäßig empfohlen | - | Niedrig/uneinheitlich | Nur in Spezialfällen |
Praktische Regeln, die selten enttäuschen
- Regel der 3 S: Sicherheit, Slowness, Stimulation. Ohne gefühlte Sicherheit springt der Körper nicht an.
- Wenn’s ziept, stopp. Erst mehr Gleitgel/Wärme/Lagewechsel, dann weiter. Schmerz killt Erregung auf Dauer.
- Reden in Ich-Form: „Mehr außen, noch langsamer.“ Knappe, klare Wünsche helfen.
- Kein Penetrationsziel: Erregung darf am ganzen Körper passieren. Orgasmus ist okay - und auch kein Muss.
Mini-Entscheidungsbaum
- Trockenheit im Vordergrund? → Gleitgel + längeres Vorspiel + ggf. lokales Östrogen (Menopause).
- Kein Kopf frei? → 10-Min.-Achtsamkeit + „druckfreies Date“ ohne Penetrationsziel.
- „Ich spüre wenig“? → Klitorisfokus + Vibrator + Beckenbodentraining über Wochen.
- Schmerz? → Sofort sanfter werden, ggf. Pause. Medizinisch abklären lassen.
- Lust seit Monaten weg und belastend? → Ärztin/Sexualtherapie, Medikamente checken.

FAQ, Fallstricke & nächste Schritte
Warum fühlt sich Erregung manchmal „aus“ an, obwohl ich meinen Partner liebe?
Lust folgt bei vielen Frauen dem Basson-Modell: Sie entsteht oft während der Nähe, nicht davor. Stress, Müdigkeit, Zyklen, Stillzeit, Menopause - all das verschiebt die Schwelle. Liebe ist da, aber dein Nervensystem braucht andere Bedingungen.
Hilft Pornografie oder Erotikliteratur?
Kann. Wichtiger ist, ob du dich dabei sicher und neugierig fühlst. Für manche sind Texte angenehmer als Videos. Wenn es Druck erzeugt, lass es weg. Wähle Inhalte, die deiner Ethik entsprechen.
Wie lange Vorspiel ist „genug“?
Viele Frauen profitieren von mindestens 15-20 Minuten. Denke in Phasen: Ankommen - Berühren - Stimulieren. Uhr egal, Körpergefühl zählt.
Welche Gleitgel-Art?
- Wasserbasiert: kompatibel mit Kondomen/Toys, leicht abwaschbar. Achte auf niedrige Osmolalität.
- Silikonbasiert: sehr gleitfähig, hält länger; nicht mit Silikon-Toys kombinieren.
- Ölbasiert: nur ohne Kondom (Öl schädigt Latex), kann Scheidenflora irritieren.
Was sagt die Forschung zu Cannabis/CBD?
Querschnittsstudien melden oft subjektiv „mehr Lust“, aber das beweist keine Wirkung. Klinische Studien sind rar und gemischt. In Österreich ist THC für Freizeitkonsum nicht legal. CBD ist erhältlich, jedoch kein verlässlicher Booster für Erregung.
Ich nehme SSRI und habe kaum Lust - was tun?
Bekanntes Thema. Ärztlich besprechen: Dosis, Einnahmezeit, Wirkstoffwechsel, On-Demand-Optionen. Nicht eigenmächtig ändern. Parallel mit Achtsamkeit, Stimulation und Gleitgel arbeiten - das hilft oft zumindest teilweise.
Nach der Geburt ist alles anders - normal?
Ja. Hormonumstellung, Müdigkeit, ggf. Narben. Häufig ist Trockenheit ein Thema. Sanft starten, viel Gleitmittel, Beckenboden stärken, Geduld. Bei Schmerzen oder Angst: Hebamme, Gyn, Beckenbodentherapie.
Menopause und Erregung?
Der Östrogenabfall beeinflusst Lubrikation und Gewebe. Lokales Östrogen lindert oft Trockenheit und Schmerz, was Erregung indirekt verbessert (NAMS/ACOG). Lebensstil + Achtsamkeit bleiben wichtig.
Was sagt die Wissenschaft zum „besten“ Toy?
Nicht das eine Gerät, sondern Passform und Intensität. Für Einsteigerinnen: weiche, breite Stimulationsflächen, niedrige Stufen, leise Motoren. Druckwellen können angenehm sein, sind aber nicht für alle.
Wie spreche ich das an, ohne die Stimmung zu killen?
Mit Mini-Wünschen und Positivsprache: „So ist’s schön - noch etwas langsamer.“ Oder: „Heute nur Zärtlichkeit, kein Ziel.“ Bei uns hilft ein Codewort für Tempo.
Typische Fallstricke
- Zeitdruck. Erregung hasst Hetze.
- „Es muss jetzt klappen.“ Dieser Satz ist ein Lustkiller.
- Schmerz ignorieren. Das zementiert Probleme.
- Nur auf Penetration setzen. Außen passiert der Großteil der Musik.
- Auf „Wundermittel“ hoffen statt Routinen aufzubauen.
Checkliste: Heute Abend besser als gestern
- Gleitgel bereitgestellt
- 15-20 Minuten ungestörte Zeit
- Fokus auf Außen/Clitoris
- Sanfter Vibrator in Griffweite
- Ein Satz, der deinen Wunsch beschreibt
Checkliste: In 4-8 Wochen spürbar verändern
- Achtsamkeit täglich 10 Minuten (5/7 Tage reichen)
- Beckenbodentraining 3×/Woche
- 2 Sport-Snacks pro Woche vor Zärtlichkeit
- Schlafroutine stabilisiert
- Medikamente mit Ärztin überprüft
Wann zur Ärztin / Therapeutin?
- Schmerz, Blutungen, Brennen - zeitnah abklären.
- Lust/Erregung über ≥6 Monate deutlich reduziert und belastend.
- Trauma-Hintergrund, der getriggert wird.
- Postmenopausale Beschwerden wie Trockenheit/Einrisse.
Worauf stützen sich diese Tipps?
Leitlinien und Reviews von ACOG (Gynäkologie), ISSM (Sexualmedizin), NAMS (Menopause), WHO (Sicherheit von Gleitmitteln), Cochrane (Beckenboden), sowie Studien von Brotto (Achtsamkeit), Herbenick (Vibrator/Klitorisstimulation), Kalmbach (Schlaf) und Meston (Sport & Erregung). Keine Einzelstudie ist das letzte Wort - die Summe der Evidenz zählt.
Nächste Schritte - kompakt
- Heute: Gleitgel + 20 Minuten Zärtlichkeit + Klitorisfokus, ohne Zielzwang.
- Diese Woche: 10 Minuten Achtsamkeit täglich, 2 kurze Sporteinheiten vor Nähe-Momenten, 3× Beckenboden.
- In 2-6 Wochen: Wenn Trockenheit/Scherzen, ärztlich über lokales Östrogen sprechen (bei Menopause) oder Ursachen klären.
- In 6-12 Wochen: Bilanz ziehen. Deutlich besser? Dranbleiben. Keine Besserung und belastend? Ärztin/Sexualtherapie hinzuziehen.
Und noch was Persönliches: Je mehr ich Druck aus dem Thema genommen habe, desto leichter wurde es. Für Leopold und mich sind feste Kuschelzeiten ohne „Leistung“ ein Gamechanger. Vielleicht ist das auch für dich der Startschuss.